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Impuls zum 20. Oktober 2024

Zum 29. Sonntag im Jahreskreis

Von Odilo Metzler (Stuttgart), Mitglied im Bundesvorstand

Bei euch soll es nicht so sein

1. Lesung: Jes 53,10-11
Nachdem er vieles ertrug, erblickt er das Licht.
Der HERR hat Gefallen an dem von Krankheit Zermalmten.
Wenn du, Gott, sein Leben als Schuldopfer einsetzt,
wird er Nachkommen sehen und lange leben.
Was dem HERRN gefällt, wird durch seine Hand gelingen.
Nachdem er vieles ertrug, erblickt er das Licht. Er sättigt sich an Erkenntnis.
Mein Knecht, der gerechte, macht die Vielen gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich.

2. Lesung: Hebr 4,14-16
Am Bekenntnis festhalten

Evangelium: Mk 10,35-45
Bei euch soll es nicht so sein!
In jener Zeit traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus,
zu Jesus und sagten: Meister, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.
Er antwortete: Was soll ich für euch tun? 
Sie sagten zu ihm: Lass in deiner Herrlichkeit einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen!
Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke,
oder die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?
Sie antworteten: Wir können es.
Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke,
und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde.
Doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben;
dort werden die sitzen, für die es bestimmt ist.
Als die zehn anderen Jünger das hörten, wurden sie sehr ärgerlich über Jakobus und Johannes.
Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten,
ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen.
Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will,
der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.
Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen,
sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.

Gedanken zu den Lesungen 
Die erste Lesung und das Evangelium lenken unsere Gedanken zu den Opfern, die Gewalt erleiden. Millionen Menschen sind heute auf der Flucht, viele auch in Europa. Wenn sie das rettende Ziel erreicht haben, erfahren sie, dass sie nicht willkommen sind, gar angefeindet oder bekämpft werden. Ich war vor zwei Wochen in Lampedusa. Wir haben Geflüchtete gesehen, die mit ihrem Boot den rettenden Hafen erreicht haben, von anderen gehört, die am Tag davor unter den Augen der Grenzagentur Frontex ertrunken sind, mit Menschen gesprochen, die darauf achten, dass Geflüchtete, die sie als „people on the move“, „Menschen in Bewegung“ sehen, dass sie als Menschen behandelt werden und ihre Würde gewahrt wird. Wir haben den Friedhof von Lampedusa besucht und in Palermo mit Ibra aus Guinea gesprochen, der es bis nach Finnland geschafft hatte, seinem Sehnsuchtsort, und von dort wieder nach Italien deportiert wurde.

Unsere Kommunen kämpfen mit Schwierigkeiten, die Menschen unterzubringen, in Wohnungen, in Schulklassen, und stoßen oft auf Widerstand, wenn sie dafür Lösungen suchen. Die weitaus größte Zahl an Geflüchteten haben Länder des Nahen und Mittleren Ostens und in Afrika aufgenommen, in denen drei Viertel der Menschen in Armut leben wie im Libanon oder die eine Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent haben wie Jordanien. Ausgerechnet im Libanon herrscht wieder Krieg. Millionen Menschen werden gezwungen zu fliehen und suchen sogar in Syrien Schutz.
In Gaza ist das Leben zur Hölle geworden. Zwei Millionen Menschen müssen dort leben, die niemand schützt, weder die internationale Gemeinschaft noch das internationale Recht, die Errungenschaft nach den Weltkriegen, noch humanitäre Hilfe. In Deutschland gibt es kaum Spenden für Gaza. Die Infrastruktur ist zerstört und niemand weiß, wie viele Getötete unter den Trümmern liegen. Auch in der Ukraine werden weiter die Einrichtungen für menschliches Leben zerstört, kein Ende der Gewalt ist in Sicht.

Die Logik der Mächte auch unserer Zeit lautet: Wir lösen Konflikte militärisch, liefern Waffen, greifen mit Soldaten ein, bombardieren. Die Militäreinsätze mit dem Ziel, Regime auszuwechseln, haben im Irak und Libyen dazu geführt, dass diese Staaten zerfallen sind, dass in dem Machtvakuum Milizen wie der „Islamische Staat“ entstanden sind, die mit erbeuteten Waffen noch mehr Gewalt und Schrecken schafften. 

Die Logik des militärischen Denkens ist: Ich muss stärker sein, mächtiger, mich unverletzbar machen, meinen Willen und meine Interessen durchsetzen können. Ich muss alles tun, um die überlegeneren Waffen zu haben und dafür Geld, Forschung und Energie einsetzen. Das Ergebnis ist, dass Gewalt neue Gewalt hervorbringt, Menschen ihr zum Opfer fallen und ihr zu entkommen suchen. So entstehen Teufelskreise von Gewalt. Gibt es einen Ausweg aus der Gewalt? 
Damit sind wir beim Thema der Lesung im Jesajabuch. Da heißt es: Gott hat eine Vorliebe für die Leidenden, die Krankheit ertragen oder Gewalt erleiden und zum Sündenbock gemacht werden. 
Wer nicht zurückschlägt und standhält, ist nicht passiv, sondern durchbricht den Teufelskreis der Gewalt und der Schuld, gerade indem er nicht mitmacht. So kann Gott neu wirken, Schuld aufheben und Versöhnung eröffnen. Diesen Menschen ist Licht, Erkenntnis, gelingendes Leben und Zukunft zugesagt. Das ist keine Vertröstung, sondern die Erfahrung und Überzeugung des Propheten.

Der gerechte „Knecht“ wurde zum Vorbild für Jesus Christus und für das Leben von uns Christen. „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen“, sagt Jesus am Beginn der Passion. Im heutigen Evangelium sagt er seinen Jüngern in ihren Herrschaftsträumen: Bei euch soll es nicht so sein. Wer der erste unter euch sein will, soll allen dienen. Wer mit seinem Leben dafür bezahlt, dass die Todesspirale aufhört, geht meinen Weg.

Es ist eine Frage an uns, die wir sehen, dass Millionen Menschen ihre Heimat verlieren. Statt sie zu bekämpfen, soll es bei uns nicht so sein wie bei den Herren der Gewalt. Es ist an uns, zu überlegen, wo wir an der Ursache des Leids mitwirken und wie wir die Ursachen bekämpfen: Herrscher können deshalb ihre Völker unterdrücken, weil wir ihnen Waffen liefern. Durch den ungerechten Welthandel wird Menschen in anderen Ländern ihre Lebensgrundlage entzogen. „Bei euch soll es nicht so sein.“ Das ist die Grundlage der neuen Erde, der neuen Geschwisterlichkeit unter einem offenen Himmel und in einer Zukunft, in der die Menschen, die Völker und die Schöpfung heilen können. Die Zusage dafür ist Licht, Erkenntnis, gerechtes Leben und Versöhnung

Gebet zum Weltmissionssonntag (20. Oktober)
Meine Hoffnung, sie gilt dir 
Herr, 
du malst den Himmel blau und das Meer
in allen Farben so schön und lebendig.
Wenn Wind und Wasser tanzen,
tanzen sie für dich.
Doch der Meeresspiegel steigt leise.
Sei bei allen, die sich davor fürchten,
die ihr Heim verlieren,
ihre Gräber und ihre Identität;
denn ihre Hoffnung, sie gilt dir.

du lässt Frauen lachen und Kinder,
voller Gaben, so mutig und klug.
Viele rudern kraftvoll das Boot,
doch nicht alle finden das rettende Ufer.
Sondern sie erleben Gewalt.
Schaffe den Verletzten Gerechtigkeit.
Hilf ihnen, Heilung zu finden
und wo möglich vergeben zu können;
denn ihre Hoffnung, sie gilt dir.

du pflanzt Hoffnung auch in mich,
doch was erhoffst du dir von mir?
Kann ich selbst Hoffnung sein
für deine Schöpfung, deinen Frieden?
Auch ich sitze in dem Boot.
Stell auch meine Füße auf trockenen Grund
und gib mir den Mut,
voranzugehen;
denn meine Hoffnung, sie gilt dir.
(Ayline Plachta, missio Erfurt, Quelle: missio)

Andere Wege finden
Gerade heute ist es so wichtig, Friedensarbeit zu leisten,
gerade heute, wo man ohne Skrupel wieder davon redet,
es gäbe wichtigeres als gerade im Frieden zu leben…
Ich halte insgesamt die Zahl der Gelder,
die für die Aufrüstung aufgewendet werden, für horribel.
Es ist unverantwortlich, dass hier 
immer noch mehr investiert wird.
Sie wissen, dass pro Tag zweieinhalb Milliarden 
für Aufrüstung verwendet werden. Ich halte das 
für eine skandalöse Angelegenheit, für einen
unverantwortlichen und ungeheuren Irrweg, 
den wir da gehen;
denn wer eigentlich darunter leidet,
das sind die Ärmsten der Welt
Wieviele Entwicklungsprogramme werden verunmöglicht
durch diese dauernde Aufrüstung,
die das Potential der Zerstörung dauernd vermehrt…
Wir dürfen uns nicht dem Ohnmachtsgefühl 
des kleinen Mannes überlassen und sagen:
Da kann ich doch nichts ändern.
Wir müssen um der Menschen willen,
um des Ebenbildes Gottes willen,
um der sozialen Ordnung willen alles daransetzen, 
internationale Abrüstung zu erreichen
und damit den Frieden wenigstens vorbereiten…
Steckt denn nicht hinter dieser Prozedur des 
Dauernden Weitermachens in der Industrie
Auch eine bestimmte Rüstungspolitik, die meint,
sie sei die beste Sicherheitspolitik?
Die beste Sicherheitspolitik ist 
nicht die heutige Rüstungspolitik. 
Ich glaube, es kommt darauf an, dass wir
Umfassend zu der Erkenntnis gelangen:
Wir müssen bereit sein und wir müssen
Wege finden, andere Wege zum Frieden.

Bischof Georg Moser, 1981, pax christi-Präsident